Holzminden/Höxter (red). Landwirtschaft und Angebote für alte Menschen – kann das zusammengehen? Mit dieser Frage befasst sich das Forschungsprojekt VivAge am Zukunftszentrum Holzminden-Höxter (ZZHH). In einem Workshop für interessierte Multiplikatoren und landwirtschaftliche Praktiker wurden nun die Ergebnisse gemeinsam mit dem Kooperationspartner Agrarsoziale Gesellschaft e. V. präsentiert.
Im einführenden Vortrag stellte Claudia Busch vom ZZHH dar, wie sich die Idee momentan von einzelnen Pionierleistungen hin zu einer kleinen Nische im Bereich der Landwirtschaft entwickelt. Seit dem Start des Forschungsprojekts im Jahr 2016 gibt es immer mehr landwirtschaftliche Betriebe mit einem Angebot für Senioren. Während die Hälfte von ihnen Wohnangebote auf dem landwirtschaftlichen Betrieb schafft – sei es als Vermietungen mit zusätzlichen Serviceangeboten oder speziell für Pflegebedürftige in Kooperation mit Pflegediensten – gibt es insbesondere in Schleswig-Holstein Initiativen, die auf Menschen mit Demenzerkrankungen zugeschnittene Konzepte realisieren. Andere europäische Länder haben deutlich mehr derartige Angebote, was eng mit den dort verbreiteten Wohlfahrts- und Pflegekonzepten zusammenhängt: In den Niederlanden haben pflegebedürftige Personen einen wesentlich größeren Spielraum, ihr Pflegebudget individuell zu nutzen und können damit beispielsweise den Tagesaufenthalt auf einem Bauernhof bezahlen. In Norwegen hingegen stehen Kommunen stärker in der Pflicht, angemessene Konzepte für ihre Bewohner/innen zu schaffen. Sie beauftragen daher gerade in peripheren Regionen teilweise landwirtschaftliche Betriebe damit, ein Tagesangebot zu schaffen.
Welche Möglichkeiten aber gibt es in Deutschland und welche gesetzlichen Rahmenbedingungen und Qualitätsmerkmale gilt es zu beachten? Aus den mit Betriebsbesuchen und Interviews verbundenen Analysen des Forschungsprojekts geht hervor, dass Seniorinnen und Senioren vor allem als Individuum wahrgenommen und an einem lebendigen Alltag teilnehmen möchten. Der landwirtschaftliche Betrieb hat hier viele Möglichkeiten. Insbesondere Wohnangebote erweisen sich als rentabel und werden auch in kleinen Dörfern stark nachgefragt. Ihr Aufbau erfordert jedoch teils hohe Investitionen, vor denen viele Interessierte – wie auch von den Workshop-Teilnehmenden vielfach geäußert wurde – erst einmal zurückschrecken. Andrea Müller, die vor 20 Jahren ihren landwirtschaftlichen Betrieb gemeinsam mit ihrer Familie zum „Mehrgenerationshof“ umgebaut hat, konnte in ihrem sehr lebendigen Bericht aus der Praxis viele Bedenken nehmen. Sie berichtete, wie sie die damals sehr innovative Idee ohne externe Förderung umgesetzt und welch positive Erfahrungen sie seitdem gemacht hat. Gesetzliche Rahmenbedingungen, die insbesondere das Wohnen auf landwirtschaftlichen Betrieben, aber auch die Ausgabe von Mahlzeiten betreffen, umriss Anne Dirking von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
Welche Möglichkeiten es zudem gibt, soziale Projekte auf Höfen, zum Beispiel im Freizeitbereich zu finanzieren, war Inhalt des Vortrags von Matthias Marx vom EngagementZentrum gGmbH. Er zeigte wesentliche Aspekte des Fundraising auf und betonte die Notwendigkeit, Konzepte als Geschichten zu „verkaufen“ und sich ein Netz an Unterstützern aufzubauen. Ideen mit der Zielgruppe Seniorinnen und Senioren in ländlichen Räumen werden vielerorts wohlwollend aufgenommen. Alle Referierenden des Workshops waren sich dahingehend einig, dass es besonders hilfreich ist, proaktiv auf lokale Behörden zuzugehen und sich vor Ort Kooperationspartner zu suchen. Die Teilnehmenden des Workshops bedankten sich in der Schlussrunde für viele hilfreiche Informationen und Ideen und waren zudem froh über die Gelegenheit, sich mit anderen weiter zu vernetzen und hilfreiche Tipps auszutauschen. Ihre Hinweise und Fragen werden nun in die Leitfäden und Broschüren eingearbeitet, die das ZZHH Anfang des kommenden Jahres veröffentlicht, um weiteren Interessenten die Umsetzung ihrer Idee zu erleichtern.
Foto: ZZHH/Busch