Höxter (red). „Die neu konzipierte Dauerausstellung ist ein Meilenstein in der Fortentwicklung Corveys.“ Diese Einordnung des Ideengebers und Kurators Professor Dr. Christoph Stiegemann teilte ein durchweg beeindrucktes Premierenpublikum nach der festlichen Eröffnung der Schau.
Zu den etwa 100 Gästen des Abends gehörten der emeritierte Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker, der frühere Generalvikar und heutige Domdechant des Metropolitankapitels, Prälat Alfons Hardt, Repräsentanten zweier aktiver benediktinischer Konvente im Erzbistum mit Äbtissin Dr. Sophia Schwede (Benediktinerinnenabtei vom Hl. Kreuz Herstelle) und Abt Dr. Cosmas Hoffmann (Benediktinerabtei Königsmünster Meschede) sowie Vertreter aus Kirche, Politik und Gesellschaft. Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek begrüßte sie alle in der ehemaligen Abteikirche, wo der festliche Abend begann. Schon beim Gottesdienst mit anschließendem Festakt in der Kirche leuchtete die Strahlkraft der fesselnden Zeitreise in „Das Jahrtausend der Mönche – von der Gründung Corveys bis ins Goldene Zeitalter“ anhand der einführenden Erläuterungen des Ausstellungsmachers Professor Stiegemann auf. Beim Rundgang schließlich offenbarte sich, dass der Kunsthistoriker nicht zu viel versprochen hatte. Im Gegenteil. Die Gäste waren hingerissen. Denn diese Inszenierung bringt kostbare Exponate zum Sprechen. Das fängt im Kapitelsaal mit der Inschrifttafel aus der Gründungszeit des Klosters fulminant an. Die an der Nordwand angebrachte Kopie setzt die lateinische Inschrift in ihrer Botschaft und der Intention der Mönche – den Menschen im Diesseits schon einen Eindruck vom himmlischen Jerusalem zu vermitteln –, fesselnd ins (Bewegt-) Bild. Diese Erzählkraft ist mit dem Einsatz innovativer multimedialer Technologien möglich.
Schau war in die Jahre gekommen In der gesamten Ausstellung machen bildgewaltige Filme, spannende Audiobeiträge und informative Medienstationen im Zusammenspiel mit den Exponaten das so wirkmächtige benediktinische Leben in all seiner Spiritualität, seiner missionarischen Strahlkraft bis in den Norden Europas und seinem Einfluss auf die Entwicklung der Region vorstellbar. Der Ausstellungsarchitektur ist es ebenfalls zu verdanken, dass das Erbe der Mönche durchweg eine solche Sogwirkung entfaltet. Innenarchitekt Ludger Schwarze-Blanke hat den Spagat gemeistert, dass die Räume eine Spannung ausstrahlen, aber das Objekt nicht überstrahlen. Professor Stiegemann dankte dem Ausstellungsarchitekten ebenso wie der langjährigen ehemaligen Sammlungskuratorin des Diözesanmuseums Paderborn, Ursula Pütz. Sie hat sich mit Herz und Hand und Fachkunde in die stimmige und wirkungsvolle Inszenierung der Exponate samt Beschriftungen in den Vitrinen eingebracht. So legen Kostbarkeiten aus dem Besitz der Kirchengemeinde zusammen mit Leihgaben etwa aus der Schatzkammer des Erzbischöflichen Diözesanmuseums Paderborn unter heutigen Standards der Museologie würdig und zugleich fesselnd Zeugnis ab.
Die Ausstellung hat es vorher auch schon gegeben. Sie war aber in die Jahre gekommen und bedurfte aus konservatorischen und museumsdidaktischen Gründen eines durchgreifenden Relaunches. Seit 2016 war dieses Projekt in der Pipeline. „Was lange währt, wird endlich gut“, sagt Ideengeber Christoph Stiegemann, der von 1990 bis 2020 Direktor des Diözesanmuseums war und glanzvolle internationale Sonderausstellungen kuratiert hat. In diesen 30 Jahren habe er noch kein Projekt erlebt, in das sich so viele externe Partner und Unterstützer eingebracht haben. „Das zeigt, dass das Welterbe Corvey ‚zieht‘“, schlussfolgert Stiegemann verbunden mit dem Dank an alle Fördergeber.
Erfolgreiches Joint Venture
Den Blick auf Corvey selbst gerichtet, bezeichnete der Kurator das Ausstellungsprojekt als „Joint Venture“ – ein Gemeinschaftsunternehmen zwischen der Kirchengemeinde und der vom herzoglichen Haus getragenen Kulturkreis Höxter-Corvey gGmbH. In den herzoglichen Räumlichkeiten entfaltet sich die Ausstellung, der Kulturkreis betreut den touristischen Betrieb. Hausherr Viktor Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey würdigte bei der festlichen Eröffnung die Zusammenarbeit. In der großen gemeinsamen Aufgabe, den Menschen das Welterbe in seinem universellen Wert zu erschließen, „kommen wir jeden Tag einen Schritt weiter“. Die neue Dauerausstellung sei hier ein Meilenstein.
Im Kontext dieser zentralen Aufgabe sieht Kirchenvorstand Josef Kowalski die Schau als „leuchtenden Stein“ einer Werktrilogie, zu der im Westwerk die virtuelle Renaissance des Johanneschores im Rahmen von Führungen und die demnächst an den Start gehende Filmprojektion auf der intelligenten Glaswand zwischen Abteikirche und Erdgeschosshalle gehören. Die drei von der Kirchengemeinde auf den Weg gebrachten Innovationen verleihen, so Kowalski, der Welterbestätte eine Strahlkraft ins In- und Ausland. „Der Leuchtturm der Christenheit leuchtet noch heller.“ Der Kirchenvorstand hofft, dass sich den Gästen auch Corveys Aura als Glaubensort – als E-Ladesäule für die wohltuende Kraft des Evangeliums und des Gottvertrauens – erschließt.
Kunst und Architektur übersetzen Botschaft
Seinen Dank richtete der Kirchenvorstand auch an Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek, der den Gottesdienst zur Eröffnung der Ausstellung geleitet hatte. Die Ausstellung sei eine Zeitreise, so Krismanek, die bei der Gründung Corveys beginnt, zur neuen Blüte nach dem Dreißigjährigen Krieg führt und mit der Säkularisation endet. „Durch diese Zeiten hindurch steht das Gotteslob im Zentrum Corveys, beginnend mit den ersten Benediktinern hier im Weserbogen“, betonte der Geistliche. Kunst und Architektur seien die großen Übersetzer der biblischen Botschaft. „Dies wird für mich in Corvey immer wieder augenfällig“ – im karolingischen Westwerk wie auch in der Triumphalarchitektur des Barock.
Das prachtvolle Gepräge dieser Zeit findet in der Ausstellung seinen Höhepunkt in der Inszenierung eines, so Krismanek, „barocken Pontifikalamtes mit der roten Kapelle der Corveyer Äbte“. Die liturgische Choreografie erläuterte er anhand der drei in Szene gesetzten Gewänder: „Das Messgewand des Priesters – die rote Casel, auch Bassgeige genannt – versinnbildlicht die Botschaft des Kreuzes. Für die daraus erwachsende dienende, solidarische Dimension des Glaubens stehen die beiden Dalmatiken, die Diakonengewänder.“ Erinnerungsort für die Kirche von Paderborn
In einer Überwältigung durch Schau und Klang erwiesen die Benediktiner in der Barockzeit dieser tiefen Symbolik die Ehre. Bevor die Gäste sich vor Ort ein Bild machten, erklärte Domdechant Prälat Alfons Hardt die Ausstellung offiziell für eröffnet. Corvey sei für die Kirche von Paderborn ein Erinnerungsort von einzigartigem Rang. Die mit 140 Gläubigen kleinste Kirchengemeinde im Erzbistum trage für dieses bedeutende Kulturdenkmal und einzige Welterbe in Westfalen Verantwortung. Daher habe sich das Erzbistum nach intensiven Überlegungen entschlossen, sich einzubringen und die große Aufgabe der Erschließung und fachgerechten Restaurierung der kostbaren Substanz zu fördern. Auf die 1000 Jahre währende monastische Geschichte zurückblickend, erinnerte Alfons Hardt daran, dass die nachbarschaftlichen Beziehungen zum Paderborner Bistum „keineswegs frei von Konflikten und Spannungen“ gewesen seien.
Diese Dissonanzen sind Geschichte. Heute zeigen sich auch in der neuen Dauerausstellung die freundschaftlichen Bande zwischen Corvey und Paderborn. Domdechant Alfons Hardt verwies in dem Zusammenhang auf kostbare Leihgaben aus der Schatzkammer des Diözesanmuseums, die für zunächst zwei Jahre nach Corvey zurückgekehrt sind und die Szenerie des barocken Pontifikalamtes abrunden: Der Abtsstab des Abtes Florenz von dem Velde (1696-1714) und ein kostbarer Kelch in Ergänzung des Ensembles von Abtsstab und Strahlenmonstranz sind auf Zeit nach Corvey zurückgekehrt.
Die neue Dauerausstellung ist während der Saison bis zum 1. November täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen.