Kreis Höxter (r). Nachhaltige Entwicklung in ländlichen Räumen – der Kreis Höxter wird zur Pionier-Region für einen systemischen Wandel mit Hilfe des wertebasierten Wirtschaftsmodells der GemeinwohlÖkonomie. Drei Kommunen und zehn Unternehmen haben sich zur Gemeinwohl-Ökonomie bekannt. Weitere werden voraussichtlich folgen. Über 2.000 Bürger:innen haben sich beteiligt. Die Ergebnisse des zweijährigen LEADER-Projektes „Gemeinwohl-Region Kreis Höxter“ werden am 27. April 2021 vorgestellt.

„Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen“, so heißt es in Art. 24, Abs. 1 der Verfassung des Landes NRW. Und das ist auch das Ziel der Stiftung Gemeinwohl-Ökonomie NRW. Zwei Jahre nach dem Start ihres LEADER-Projektes „Gemeinwohl-Region Kreis Höxter“ lohnt sich der Blick auf die ostwestfälische Provinz, denn hier entwickelt sich ein Wandel mit System.

Gemeinwohl-Ökonomie? Was ist das? 2019 hat die Stiftung Gemeinwohl-Ökonomie NRW damit begonnen, im Kreis Höxter Kommunen, Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Bürger:innen mit den Ideen der Gemeinwohl-Ökonomie in Kontakt zu bringen. Dabei geht es darum, durch mehr Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und Mitentscheidung die Wohn- und Lebensqualität der Menschen in der Region zu verbessern. Wirtschaftliches genauso wie persönliches Handeln werden bei diesem werteorientierten Ansatz systematischer als bisher auf das Gemeinwohl ausgerichtet.

Der Erfolg spricht für sich. Drei Städte – Steinheim, Brakel und Willebadessen – machen mit und setzen die innovative Methode einer sogenannten „Gemeinwohl-Bilanz“ bereits für ihre Organisationsentwicklung ein. Weitere Kommunen haben ihr Interesse an einer Bilanzierung bekundet. Darüber hinaus befinden sich aktuell zehn Firmen im Bilanzierungsprozess – vom Mineralwasser- und Getränkehersteller Graf Metternich in Steinheim, über den Biolandhof Engemann in Willebadessen bis hin zur Vereinigten Volksbank eG mit Sitz in Brakel. Und die Liste mit weiteren Interessent:innen wächst. Auch die Bürger:innen der Region haben sich mit eingebracht. Denn ein „Gemeinwohl-Test“ zur Selbsteinschätzung der persönlichen Gemeinwohl- Orientierung gehörte ebenfalls zum Projekt. Hierzu wurden bis Ende 2020 über 2.000 Bürger:innen aus der Region befragt.

„Das ist ein beachtlicher Erfolg und unterstreicht, dass der Kreis Höxter inzwischen zu einer Pionier-Region für das Thema Gemeinwohl-Ökonomie geworden ist“, freut sich Stiftungsgründer Albrecht Binder. Der Apotheker aus Steinheim war es, der von der Idee der „Gemeinwohl-Ökonomie“ des österreichischen Autors Christian Felber überzeugt war und die Stiftung 2017 gründete. Seither trägt er die Vision von einer ethischen Marktwirtschaft, von Kooperation statt Wettbewerb und Nachhaltigkeit statt Ausbeutung in die ostwestfälische Region. Nur sieben Monate nachdem er Christian Felbers Buch gelesen hatte, legte er die erste Gemeinwohl-Bilanz für seine Apotheke und die damals dazugehörigen drei Filialen vor. Unternehmer:innen beantworten darin Fragen wie: Wie sinnvoll ist das Produkt/die Dienstleistung? Wie ökologisch wird produziert, vertrieben und entsorgt? Wie umweltfreundlich fahren die Angestellten zur Arbeit? Wie human sind die Arbeitsbedingungen? Werden Frauen und Männer gleich gefördert und bezahlt? „Die Dynamik des Projekts „Gemeinwohlregion Kreis Höxter“ ist wirklich erstaunlich. Sie belegt einmal mehr den festen gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserer Region“, zieht auch Landrat Michael Stickeln (CDU) ein positives Resümee des Projekts. „Ich bin mir sicher, dass auch in Zukunft weitere Städte und Unternehmen die Vorteile der Gemeinwohl-Ökonomie nutzen und so das Projekt nachhaltig mit Leben füllen werden“, so Stickeln.

Gemeinwohl-Bilanz als Veränderungs-Werkzeug

Unternehmerisches Handeln wird somit nicht mehr nur an Umsatz und Gewinn gemessen, sondern an sozialen und ökologischen Kriterien. Ein unabhängiger Auditor prüft schließlich den Bericht und vergibt Punkte auf einer Skala von minus 3.600 bis plus 1.000. „Das Erstellen einer Gemeinwohl- Bilanz sollte eines Tages Pflicht für alle Firmen sein“, fordert der GWÖ-Mitbegründer Christian Felber. „Organisationen mit einer guten Bewertung könnten dann nicht nur von Verbrauchern, sondern sollten auch vom Staat bevorzugt werden – etwa für den Erhalt von Fördergeldern oder mit einem niedrigeren Gewerbesteuersatz.“

Digitale Abschlussveranstaltung stellt Ergebnisse des LEADER-Projekts „Gemeinwohl- Region Kreis Höxter“ vor Am 27. April 2021 lädt die Stiftung Gemeinwohl-Ökonomie NRW zum Abschluss des LEADERProjekts „Gemeinwohl-Region Kreis Höxter“ zu einer digitalen Veranstaltung ein. Hierbei wird es Interviews mit Projektbeteiligten sowie GWÖ-Mitbegründer Christian Felber geben. Inhalte und Ergebnisse des Projekts werden in Form eines digitalen Abschlussabends mit den Projektleitern Christian Einsiedel und Christoph Harrach sowie mit Video-Interviews mit den Projektbeteiligten zur Verfügung gestellt. Die Anmeldung zum Online-Event ist kostenfrei möglich unter: https://stiftung-gwoe.nrw/leader-event/.

Foto: Katja Krajewski